Feinstaub gilt als eine ernstzunehmende Umweltgefahren für die menschliche Gesundheit und seine Auswirkungen beginnen bereits früher, als bisher angenommen. Eine internationale Forschungskooperation zwischen der Universität Lund in Schweden und dem Labor der Frauenklinik an der Medizinischen Universität Graz hat erstmals gezeigt, dass Feinstaubpartikel aus dem städtischen Verkehr nicht nur die Struktur der Plazenta verändern können, sondern auch deren Immunzellen in ihrer Funktion beeinflussen können. Bereits ein kurzer Kontakt mit PM2,5-Partikeln – also besonders kleinen Feinstaubpartikeln aus dem städtischen Verkehr– führte im Experiment zu messbaren Veränderungen im Plazentagewebe. Die Studie wurde kürzlich im Journal of Environmental Sciences veröffentlicht [1].
Zerstörte Zellstrukturen und entzündliche Immunreaktionen
Die Plazenta übernimmt während der Schwangerschaft zentrale Aufgaben: Sie versorgt das ungeborene Kind mit Nährstoffen und Sauerstoff, reguliert den Stoffwechsel zwischen Mutter und Fötus und sorgt durch spezialisierte Immunzellen für ein entzündungsfreies, schützendes Milieu im Mutterleib. Um besser zu verstehen, wie Luftschadstoffe diese Funktionen beeinträchtigen könnten, nutzte das Forschungsteam ein hochspezialisiertes experimentelles Modell – die sogenannte ex vivo duale Plazentaperfusion, bei der Plazentagewebe unmittelbar nach der Geburt unter kontrollierten Bedingungen untersucht werden kann. Diese Methode der Plazentaperfusion wurde vor einigen Jahren im Labor der Frauenklinik eingeführt und sowohl für Forschungsfragen als auch für Kooperationen mit Industriepartnern weiterentwickelt.
Die Analyse der Plazentaproben mittels Transmissionselektronenmikroskopie zeigte, dass bereits ein kurzer Kontakt mit PM2,5-Partikeln zu deutlichen Schäden im Plazentagewebe führt. Betroffen waren unter anderem Kollagenfasern, die dem Gewebe Stabilität verleihen, sowie Mitochondrien, die für die Energieversorgung der Zellen entscheidend sind. „Besonders auffällig war die Reaktion der Immunzellen in der Plazenta: Sie wechselten von einem normalerweise entzündungshemmenden in einen entzündungsfördernden Zustand – ein Muster, das auch bei Präeklampsie beobachtet wird, einer ernsten Schwangerschaftserkrankung mit möglichen Risiken für Mutter und Kind“, beschreibt Molekularbiologin Birgit Hirschmugl von der Med Uni Graz.
Ein möglicher Risikofaktor für Präeklampsie
„Unsere Daten legen nahe, dass Luftschadstoffe nicht nur das Risiko für Atemwegs- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen erhöhen, sondern auch ein bisher unterschätztes Risiko für Schwangere und ihr ungeborenes Kind darstellen“, betont Christian Wadsack, Leiter der Grazer Forschungsgruppe. Die Veränderungen in der Plazenta könnten demnach zur Entwicklung von Präeklampsie beitragen – einer Erkrankung, die mit Bluthochdruck, Organschäden und Wachstumsverzögerungen beim Fötus einhergehen kann.
Wissenschaftlicher Fortschritt mit gesellschaftlicher Relevanz
Die Erkenntnisse unterstreichen die Dringlichkeit politischer und gesellschaftlicher Maßnahmen zur Reduktion von Luftverschmutzung – insbesondere in urbanen Ballungsräumen. Gleichzeitig zeigen sie, wie wichtig eine intensive Erforschung der Plazenta als zentrales Organ der Schwangerschaft ist. Die Bedeutung der Forschungsmöglichkeiten an der humanen Plazenta wurde kürzlich verdeutlicht, indem dazu die US-Arzneimittelbehörde FDA einen bahnbrechenden Schritt zur Förderung der öffentlichen Gesundheit veröffentlichte [2]. Das Ziel der FDA ist es Tierversuche bei der Entwicklung von monoklonalen Antikörpertherapien und anderen Arzneimitteln durch wirksamere, auf den Menschen bezogene Methoden, wie zum Beispiel durch die Plazentaperfusion, zu ersetzen. Der neue Ansatz soll die Arzneimittelsicherheit verbessern, während gleichzeitig die Zahl der Tierversuche verringert wird.
Abbildung 1: Ex vivo Plazenta Perfusion im Labor. Die Plazenta wird kanüliert und in der Perfusionskammer (1) fixiert. Nährlösung in der maternalen und fetalen (2) Zirkulation wird über Pumpen (3) zur Plazenta gepumpt. Substanzen werden in der maternalen Zirkulation angeboten und bei Übertritt über die Plazentabarriere können diese in der fetalen Zirkulation und im Plazentagewebe nachgewiesen werden.
Abbildung 2: Auswirkungen von städtischem Feinstaub auf die Mikroarchitektur der Plazenta.
Die Abbildung wurde folgender Publikation entnommen und abgeändert dargestellt (Urban air pollution disrupts placental microarchitecture and shifts hofbauer cells towards a pro-inflammatory state © 2025 by Lena Erlandsson, Birgit Hirschmugl, Eva Hansson, Monika Horvat Mercnik, Christian Wadsack, Stefan R. Hansson is licensed under CC BY 4.0).
Kontakt
Birgit Hirschmugl, PhD Ex vivo Plazenta Perfusion +43 316 385 30136 |
Prof. Christian Wadsack, PhD Arbeitsgruppenleitung +43 316 385 81074 |
Literatur
[1] Erlandsson L, Hirschmugl B, Hansson E, Horvat Mercnik M, Wadsack C, Hansson S.R. Urban air pollution disrupts placental microarchitecture and shifts hofbauer cells towards a pro-inflammatory state. Journal of Environmental Sciences, 2025, https://doi.org/10.1016/j.jes.2025.03.043[2] FDA Announces Plan to Phase Out Animal Testing Requirement for Monoclonal Antibodies and Other Drugs – FDA. https://www.fda.gov/news-events/press-announcements/fda-announces-plan-phase-out-animal-testing-requirement-monoclonal-antibodies-and-other-drugs
Der Artikel wurde veröffentlicht: Kliniknews Ausgabe 1 / 2025, Seite 20-21 — Univ.-Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe am LKH-Univ. Klinikum Graz